Während der Fastenzeit wird seit dem 13. Jahrhundert in katholischen und reformierten Kirchen der Altarraum mit einer Art Vorhang im Gebetsraum der Gläubigen abgetrennt. Das sogenannte Hungertuch oder Fastentuch wird künstlerisch gestaltet und soll den Gläubigen eine Anregung zur Besinnung sein. Schwester Gielia Degonda hat für diese Fastenzeit erstmals ein eigenes Hungertuch geschaffen, das in der Klosterkirche zum Nachdenken einladen will.
In Reichweite
Was Du als selbstverständlich betrachtest,
ist für mich ausser Reichweite
Was ich säe,
wird im Keim erstickt – durch eine unzähmbar gewordene Natur
und durch die ungleiche Verteilung
Wir hoffen weiter – auf Gerechtigkeit
Du kennst keinen Hunger
Ich harre im Hunger aus
Was Du isst,
säe und ernte ich und gebe es weg
Dir fällt die Auswahl schwer,
während ich keine habe
Mit dem, was ich verdiene, kann ich kaum meine Kinder ernähren
Das Ungleichgewicht bleibt bestehen
In der Sättigung erstarkt,
im Hunger schwach
Werden wir uns je wehren können?
Gibt es Gerechtigkeit?
Übersättigung – Unterernährung
Wir hungern weiter
Worin bestünde die Gerechtigkeit?
Ich verdiene an meiner Ernte soviel,
dass ich leben kann
Auf Ausgleich hoffen und auf Morgen vertrösten
Wo verbirgt sich die Klage für das Unterlassene?
Wer hungert, erfährt Gerechtigkeit
Im Teilen zwischen Dir und mir entstünde Hoffnung
Und die Möglichkeit einer fruchtbaren Zukunft
Text: Michèle Brandenberg Zug/Basel
Bild: Sr. Gielia Degonda, Kloster Ingenbohl