Schwester Ulrika Nisch lebte im Zeichen des Widerspruchs. Vielleicht war ihr das gar nicht bewusst. Aber ihre Massstäbe waren andere als Erfolg, Gesundheit und Wohlstand. Es waren Liebe und Hingabe, die ihr Leben prägten. Sie arbeitete als Küchenschwester. Mit Schmerzen und Krankheit war sie vertraut. Und trotzdem war sie froh. Unscheinbar war ihr Leben und doch wurde sie bekannt. Eben weil sie anders war. Weil sie Erfüllung fand, wo andere nur Verlust sahen.
Geboren wurde sie als uneheliches aber geliebtes Kind am 18. September 1882 in Oberdorf – Mittelbiberach. In einem kleinen Dorf wuchs sie auf, in einer bitterarmen Familie. In der Schule waren ihre Noten nicht die besten. Als Dienstmädchen verdiente sie ihr weniges Geld. Mit 22 Jahren trat sie dann 1904 bei den Kreuzschwestern von Hegne am Bodensee ins Kloster ein. Neun Jahre später starb sie an Tuberkulose am 9. Mai 1913.
Ein Leben wie viele andere, ja leidender noch und arbeitsreicher als das Leben der meisten. Niemand hätte davon gesprochen, wäre darin nicht etwas Grosses durchgeschienen, etwas unendlich Grosses. Die äußeren Zeichen dafür sind überliefert: Wann immer sie konnte, betete sie vor dem Tabernakel, ihre Arbeit verrichtete sie mit Geduld, ihren Mitmenschen begegnete sie mit Freude und Aufmerksamkeit, ihre ständigen Kopfschmerzen ertrug sie ohne zu klagen. Über die Gründe, die sie zu einem solchen Leben bewegten, hat sie einiges gesagt – wohl längst nicht alles: Die Erfahrung einer grenzenlosen Liebe und die Erfahrung, dass diese Liebe nicht Besitz ist, sondern Geschenk. Die Zeiten der Gottesferne blieben ihr nicht erspart. So konnte sie auch in jedem Leiden die ihr geschenkte Liebe erwidern und für andere fruchtbar werden lassen. Sie nahm Anteil am Kreuz, dem unüberbietbaren Erweis der sich verschenkenden Liebe Gottes.
Schwester Ulrika Nisch. Eine Frau, die, statt aus ihrem Leben was zu machen, in die Illusion einer Gottesidee flüchtete – oder eine Frau, die in ihrem Leben den lebendigen Gott bezeugte, den Gott, der das Schwache und Arme mehr liebt als das scheinbar Große und Starke, der die Mächtigen vom Throne wirft und die Niedrigen erhöht?
Schwester Ulrika Nisch ist eine Herausforderung an alle, die sich selbst genügen. Sie ist eine Ermutigung für alle die im Kleinsten das Grösste und im Kreuz die Auferstehung zu erkennen vermögen. Mit ihrer Seligsprechung am 1. November 1987 bekennt sich die Kirche zu dieser Herausforderung und zu dieser Ermutigung.