H U N G E R T U C H
Kloster Ingenbohl
Meditation

Eine Hand streckt sich aus
bittend – hoffend
die andere Hand
kommt diesem Bitten entgegen
bereit zu geben – zu helfen
In Reichweite
Was Du als selbstverständlich betrachtest,
ist fĂĽr mich ausser Reichweite
Was ich säe,
wird im Keim erstickt – durch deine
unzähmbar gewordene Natur
und durch die ungleiche Verteilung
Wir hoffen weiter – auf Gerechtigkeit
Du kennst keinen Hunger
Ich harre im Hunger aus
Was Du isst,
säe und ernte ich und gebe es weg
Dir fällt die Auswahl schwer,
während ich keine habe
Mit dem, was ich verdiene, kann ich
kaum meine Kinder ernähren
Das Ungleichgewicht bleibt bestehen
In der Sättigung erstarkt
im Hunger schwach

Werden wir uns je wehren können?
Gibt es Gerechtigkeit?
Übersättigung – Unterernährung
Wir hungern weiter
Worin bestĂĽnde die Gerechtigkeit?
Ich verdiene an meiner Ernte so viel,
dass ich leben kann
Auf Ausgleich hoffen und auf Morgen
vertrösten
Wo verbirgt sich die Klage fĂĽr das
Unterlassene?
Wer hungert, erfährt Gerechtigkeit.
Im Teilen zwischen Dir und mir
entstĂĽnde Hoffnung
Und die Möglichkeit einer fruchtbaren
Zukunft.
Text: Michèle Brandenberg, Zug
Bild: Sr. Gielia Degonda, Ingenbohl